“Männerrituale” vom 04.10.2011
Männer brauchen Rituale.
Männer brauchen Gemeinschaft.
Männer brauchen Raum fürs Mann-Sein.
Dies sind mindestens 3 Erkenntnisse, die ich aus der eigenen Arbeit und der Arbeit und dem Zusammensein mit anderen Männern gewonnen habe. Dies trifft gleichermassen auch auf Frauen zu, da ich jedoch Mann bin, und meine Arbeit mir die Wichtigkeit von der Heilung des Mannes gezeigt hat, ist dies das Thema worüber ich primär heute spreche.
Mein Grossvater
Meine eigene Biographie/Geschichte ist ein ausschlaggebender Punkt. Von Geburt an wuchs ich vaterlos auf. Die einzige männliche Bezugsperson, mein Grossvater, starb als ich 11 Jahre alt war. Genau zu Beginn meiner Pubertät, eine Phase in der sich viel verändert bei jungen Männern.
Ich wuchs also ohne wirklich männliche Bezugsperson auf, ohne männliche Orientierung.
Mit 23/24 Jahren fing ich an mich eigentherapeutisch mit meinen Gefühlen von Schmerz, Trauer, Misstrauen gegenüber der Welt, starker Verlassenheit, Minderwert und Kleinheit, Machtlosigkeit und Ohnmacht, Schwäche und Wertlosigkeit zu beschäftigen.
In vielerlei Hinsicht konnte ich verarbeiten und Ruhe und Frieden finden mit mir und meiner Männlichkeit.
Es gab Momente, in denen ich zum ersten Mal meinen gesamten Schmerz spüren durfte über den Verlust meines geliebten Grossvaters.
Mein Vater
Auch konnte ich zum ersten Mal meine Wut und Enttäuschung über meinen Vater fühlen und ausdrücken. All das und vieles mehrführte mich zu einer Haltung, die ich bis heute als ein grosses Geschenk empfinde. Lange konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich all diese Traumata heute als ein Freilassen empfinde. Die Welt der Männer liess mich früh frei, mein eigenes zu entdecken, diesen Raum in mir zu finden, den ich fühlen darf, ganz nach meinem Geschmack.
Das Geschenk
Dieses grosse Geschenk fast endloser Freiheit beglückt mich heute, als Kind und Jugendlicher machte es mir viel mehr Angst.
Ich hatte das Glück nicht in eine bestimmte Richtung geprägt zu werden. Was die mich umgebenden Männer – Freunde, Kollegen, Lehrer, väterliche Freunde – heute angeht, ist es für mich wie auf einer Einkaufstour. Ich suche aus, kann schauen und nehmen, kann angeschaut werden und geben.
Ein japanisches Sprichwort, was mir in dieser Zeit begegnete: “Gerade für die schlechtesten Eltern kannst du dankbar sein.”
Therapeutisches
In meiner Ausbildung zum Heilpraktiker gewann ich die Einsicht, dass die Erfahrung, die ich mir ausgesucht und gemacht habe, mich zu einem äusserst sensiblen und sensitiv begabten Mann gemacht hat.
Für meine Arbeit als Heilpraktiker ist auch dies äusserst wichtig. Ich kann Patienten/Klienten verstehen, weil ich Ihnen ähnlich bin.
Ähnlich in Bezug auf die anfängliche Leere, Hilflosigkeit und den Schmerz, auch ähnlich in dem Versuch sich als Mann neu zu (er)-finden. Die Frage die das Mannsein in den letzten Jahren auch insgesamt stark prägt: “Wie kriege ich Empfindsamkeit und Durchsetzungsvermögen in mir vereint?”
Gesellschaft und Kollektiv
Ich glaube hier gibt es seit mindestens 60 Jahren ein kollektives Geschehen. All das was Männern passiert ist, zum Beispiel Vaterlosigkeit oder das Fehlen von echten Vorbildern durch die Kriege des letzten Jahrhunderts, sind Ausdruck für einen gewollten Haltungswechsel der Männer.
All das was Männer sich und den Frauen angetan haben und immer noch antun, sind im Grunde Ausdruck für die Themen die das MannSein seit Anbeginn der Zeit beherrschen.
Neue Möglichkeiten
Heute haben wir die Möglichkeit, Mann-Sein anders zu verstehen, als es uns in der Geschichte vorgelebt wurde.
Dort wo Hass und Verachtung gelebt wird, ist die eigene Angst beim Täter vorhanden.
Dort wo blinde Wut regiert, geht es wirklich um Hilflosigkeit und Desorientierung.
Dort wo andere dominiert werden, gibt es oft kein klares JA zur eigenen GRÖSSE.
Dort wo missbraucht wird, fehlt der eigene innere Halt und die Selbstachtung.
Praktisches und Rituale
Ich möchte nun einige praktische Dinge aus meiner Arbeit dem hinzufügen.
Ich habe vorher schon viel von der Familie, auch den Ahnen gesprochen.
Genau in dieser Ordnung kann man viel Heilung erfahren, wenn Mann sich daran anschliesst. In der Aufstellungsarbeit sorgen wir dafür, den Klienten/Patienten wieder in Kontakt mit der väterlichen und auch mütterlichen Linie zu bringen. Denn die Ahnen haben uns oft viel zu geben, wir müssen uns nur entscheiden diese Kraft, Fülle und Liebe zu nehmen.
Gerade für junge Männer konzipiere ich oft eigene Rituale. Beim Übergang vom Jungen zum Mann zum Beispiel, geht es um ein bewusstes Feiern dieses Augenblicks, um ein Willkommen heissen in der Welt der Männer UND die Unterstützung und Kraft der väterlichen Linie zu spüren.
Schüler-Lehrer-Beziehung
Heilsam für Männer in allen Altern kann eine Lehrer-Schüler-Beziehung sein, die ich mir als Mann ganz bewusst suchen kann. Hier nutze ich, ähnlich wie bei einem Therapeuten, den Erfahrungsvorsprung, die Wege, die der Lehrer schon und auch für mich als Schüler gegangen ist. Einen Lehrer wird es erfreuen, wenn ein Schüler von ihm nimmt und aus den Fehlern lernt und nicht mehr machen muss, wenn der Lehrer sie schon gemacht hat.
Archetypus Krieger
Ein Aspekt im Männlichen, der Krieger, wird in unserer Zeit oft missverstanden und aufgrund eindeutiger kollektiver Erfahrungen oft gar nicht erst gelebt.
Das sehen wir dann, wenn Menschen in Depression verfallen, in vielen Fällen kann ein solch unterdrückter Krieger dafür sorgen.
Der Krieger steht in eigentlicher Form, wie er oder auch die Amazone gemeint ist, für das zu sich stehen, das für sich einstehen, den eigenen Platz einnehmen, Präsenz, zu kriegen was man braucht, ein Ziel zu verfolgen und dafür zu kämpfen.
Haka-Ha und Kraftausdruck
Haka-Ha, ein ritualisierter Tanz der Maoris Neuseelands, ist hier ein wundervoll kraftvolles Medium um diesen verschütteten und oft verwundeten Krieger wieder zum Leben zu erwecken. Dem eigenen inneren Krieger die Ehre geben, im Aussen der Dank und die Achtung für all die anderen Krieger.
Personale Arbeit am Leib
Ich möchte auch noch die personale Arbeit am Leib, auch Leibtherapie/Leibarbeit genannt, beschreiben. Sie ist eine Form der Körperarbeit, die Karlfried Graf Dürckheim und sein Frau Maria Gräfin von Hippius erfunden haben.
Meist ist die Arbeit non-verbal und widmet sich dem was Dürckheim als “Leib, der ich bin” ausdrückte. Im Gegensatz zum “Körper, den ich habe”, (Dürckheim) ist der Leib des Menschen etwas transzendentales, mit anderen Sinnen erfassbares. In der Leibarbeit höre ich auf den Ruf des Leibes des Patienten und folge diesem Wunsch nach Berührung.
Ich halte den Patienten zum Beispiel an der Hand, wiege ihn, manchmal kann es sein, dass ich ein Lied oder eine Melodie singe, schamanische Elemente einfliessen lasse.
Auch eine kräftige Massage, für jemanden zu klagen, zu trauern oder ein Gebet zu sprechen kann vorkommen, wenn der Leib danach verlangt.
Falls Sie jetzt noch keine Vorstellung von der Leibarbeit haben, ist dies völlig normal.
Leibarbeit ist die einzige Therapie, die mir je untergekommen ist, die gerade mit Worten nur unzureichend erklärbar ist. Man(n) muss sie erleben. Frau natürlich auch!
Potenz, Mächtigkeit und Sexualität
Abschliessend möchte ich auch noch zum Thema sexueller Probleme sagen.
Der sensible und klare Umgang mit männlicher Potenz/Impotenz ist mir ein grosses Anliegen. Viele Männer definieren sich zum grossen Teil über ihren Schwanz und ihre sexuelle Leistungsfähigkeit mit Ihren Sexualpartnern und -innen.
Das kann jedoch mit sich bringen, dass man darunter leidet, wenn man hinter den eigenen Erwartungen zurückliegt.
Kreuzbein – Sitz der Kraft
Eine speziell darauf ausgelegte Körperarbeit ist die Kreuzbein oder Zentrum-X-Massage.
Im Kreuzbein, am unteren Rücken gelegen, sind unsere ganzen Ideen, Vorstellungen, Traumata und Glaubenssätze hinsichtlich unserer Sexualität auf körperlich-zellulärer Ebene gespeichert. Kein Wunder, in diesem Bereich unseres Beckens, unseres Wurzelchakras, unserer Erdfeuerenergie, liegt unsere männliche Potenz.
Eine gezielte Massage, verbunden mit einer Einreibung von Salz und Johanniskrautöl ins Kreuzbein, kann für unsere gesamte Potenz, auch seelisch-geistig, Wunder wirken.